Graue Energie

Graue Energie und Treibhausgase als Indikatoren für den ökologischen Rucksack eines Gebäudes

Im Bauwesen stellen die Treibhausgase nebst der grauen Energie Leitindikatoren für die Umweltbelastung eines Bauteils oder Bauwerks bei der Erstellung, dem Ersatz von Bauteilen und der Entsorgung dar. Bei Neubauten, die mit erneuerbarer Energie versorgt werden, fällt die graue Energie um Grössenordnungen höher aus als die Betriebsenergie über die gesamte Lebensdauer. Werden die genannten Indikatoren in der Planung und Erstellung konsequent berücksichtigt, lässt sich die Umweltbelastung gegenüber einer heute üblichen Bauweise um bis zu 50 Prozent verringern. In einigen Fällen können dadurch sogar gleichzeitig die Baukosten gesenkt werden.

Was sind graue Energie bzw. Treibhausgasemissionen?

Die graue Energie bezeichnet die gesamte Menge nicht erneuerbarer Primärenergie (PEne, Einheit kWh), die für alle vorgelagerten Prozesse (vom Rohstoffabbau über Herstellungsprozesse bis zur Entsorgung), inklusive der dazu notwendigen Transporte und Hilfsmittel, erforderlich ist. Sie wird auch als kumulierter, nicht erneuerbarer Energieaufwand bezeichnet. 

Mit grauen Treibhausgasemissionen wird die kumulierte Menge der Treibhausgase (CO2, Methan, Stickoxid und weitere klimawirksame Gase), die im gleichen Bezugsrahmen wie die graue Energie emittiert wird, bezeichnet. Sie wird als äquivalente CO2-Emission (Einheit kg CO2eq) ausgedrückt.

Als Bezugsgrösse dient für beide Indikatoren die Energiebezugsfläche AE nach SIA 380. Für die Lebensdauer der Bauteile werden theoretische Amortisationszeiten verwendet (siehe SIA Merkblatt 2032, Anhang C). Es resultieren damit jährliche, flächenspezifische Werte.

Gebäude-Ökobilanzen zu grauer Energie und Treibhausgasemissionen

Als Datengrundlage für Gebäude-Ökobilanzen werden die Werte aus den KBOB- Ökobilanzdaten im Baubereich verwendet. Diese meist auf ein Material (teilweise auch auf ein Produkt oder Bauteil) bezogenen Werte werden auf Stufe Bauteil (z. B. auf einen m2 Bauteilfläche) auf Basis ihrer Menge aufsummiert. Anhand der eingesetzten Bauteile und deren Ausmasse kann anschliessend eine komplette Gebäudebilanz erstellt werden. Dazu gibt es verschiedene Tools, die als Resultat den Projektwert an grauer Energie bzw. grauen Treibhausgasemissionen ausgeben.

Die aus der Gebäude-Ökobilanz erhaltenen Projektwerte können dann – je nach gewähltem Standard oder den Vorgaben der Bauherrschaft – mit entsprechenden Grenzwerten bzw. Benchmarks verglichen werden.

Graue Energie und Treibhausgase in Minergie(-P/-A)-ECO

Der Zusatz ECO fordert schon seit Jahren die Berechnung einer Gebäude-Ökobilanz für die graue Energie und die grauen Treibhausgasemissionen. Für die Bewertung werden dabei je nach Gebäudetyp zwei Grenzwerte festgesetzt. Der untere, strengere Grenzwert orientiert sich am Zielwert des SIA-Effizienzpfads Energie (SIA Merkblatt 2040). Der obere Grenzwert wurde anhand einer Auswertung von gebauten Beispielen berechnet und so festgelegt, dass die Einhaltung mit etwas Anstrengung möglich ist. Beide Grenzwerte werden projektspezifisch berechnet. Dazu gibt es eine ausführliche Anleitung.

Graue Energie und Treibhausgase im Entwurf optimieren und berechnen

Die Weichen für einen aus Sicht der Umweltbelastung optimierten Entwurf werden bereits in den frühen Phasen (Strategische Planung, Vorstudie, Vorprojekt) eines Bauvorhabens gestellt. Im Vordergrund stehen dabei vor allem folgende Aspekte:
  • Die Erhaltung bestehender Gebäude, Gebäudeteile oder Bauteile bzw. der Einsatz von gebrauchten Bauteilen (Re-Use) 
  • Die Kompaktheit des Gebäudes (Verhältnis von Hüllfläche zu Energiebezugsfläche)
  • Die Minimierung von Spezialfundationen, Baugrubensicherungen und Unterterrainbauten
  • Die Bauweise (z. B. Massivbau, Leichtbau)
  • Die Ausgestaltung des Tragsystems (direkte vertikale Lastableitung, angemessene Spannweiten)
  • Der Glasanteil in der Gebäudehülle
  • Der Umfang und die Art der Gebäudetechnik

Ob im Vorprojekt, während der Projektierung oder im Bauprojekt – für alle Phasen stehen verschiedene Berechnungstools zur Verfügung. Eine Auflistung und Beschreibung finden sie hier.

Graue Energie und Treibhausgase in weiteren Labels und Standards

Beide Indikatoren und die Berechnungsmethodik sind heute in verschiedenen Standards und Beurteilungssystemen zum nachhaltigen Bauen integriert. Während bei den Baustandards von Minergie für Neubauten seit 2023 nur ein Grenzwert für Treibhausgasemissionen einzuhalten ist, sind beim Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS Hochbau), bei SméO und SGNI/DGNBswiss Grenzwerte für beide Indikatoren festgelegt. 

In der sich noch in Erarbeitung befindlichen SIA Norm 390 «Klimapfad – Treibhausgas- und Energiebilanz von Gebäuden» werden nutzungsspezifische Grenz- und Zielwerte (strengere Werte) für Treibhausgasemissionen definiert.

Die  Instrumente von ecobau wie z.B. ecoDevisecoBKP und ecoProdukte stützen sich ausschliesslich auf die graue Energie als Bewertungskriterium für die Einstufung. Basis dafür ist die Methodik Baumaterialien ecobau. Ab 2025 wird die Bewertung mit dem Indikator Treibhausgasemissionen ergänzt (aufgrund der Laufzeit der bestehenden Zertifikate ist eine frühere Umstellung nicht möglich). 

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