Graue Energie
Graue Energie als Indikator für den ökologischen Rucksack eines Gebäudes
Im Bauwesen ist die graue Energie ein Leitindikator für die Umweltbelastung eines Bauteils oder Bauwerks beim Erstellen, dem Ersatz von Bauteilen und der Entsorgung. Bei Neubauten kann sie sogar höher ausfallen als die Betriebsenergie der gesamten Lebensphase. Wird die graue Energie konsequent berücksichtigt – also von der strategischen Planung bis zur Realisierung – lässt sie sich um bis zu 30 Prozent verringern. In vielen Fällen werden dadurch auch die Baukosten gesenkt.
Was ist graue Energie?
Die graue Energie bezeichnet die gesamte Menge an nicht erneuerbarer Primärenergie (PEne) in Baustoffen, Bauteilen und Gebäuden, die für alle vorgelagerten Prozesse erforderlich ist. Dazu gehören alle Schritte, vom Rohstoffabbau über die Herstellung und Verarbeitung, den Material- oder Bauteilersatz sowie die Entsorgung inkl. der dazu notwendigen Transporte und Hilfsmittel.
Die Masseinheit der grauen Energie ist Megajoule bzw. Kilowattstunde pro Quadratmeter und Jahr (MJ/m2a bzw. kWh/m2a). Als Bezugsgrösse dient die Energiebezugsfläche AE nach SIA 380. Für die Lebensdauer der Bauteile werden theoretische Amortisationszeiten verwendet (siehe SIA Merkblatt 2032, Anhang C).
Gebäudebilanz graue Energie
Als Datengrundlage für die Gebäudebilanz gelten die Werte zu den Baustoffen aus der KBOB-Empfehlung Ökobilanzdaten im Baubereich. Diese Werte werden auf Stufe Bauteil (z. B. auf einen m2 Bauteilfläche) auf Basis ihrer Menge aufsummiert. Anhand der eingesetzten Bauteile und deren Ausmass kann anschliessend eine komplette Gebäudebilanz gezogen werden. Dazu gibt es verschiedene Hilfsmittel und Tools, die als Resultat den Projektwert an grauer Energie ausgeben.
Projektspezifische Grenzwertbildung der grauen Energie bei Eco-Standards von Minergie.
Die aus der Gebäudebilanz erhaltenen Projektwerte können dann - je nach gewähltem Standard oder den Vorgaben der Bauherrschaft - mit entsprechenden Grenzwerten oder Benchmarks verglichen werden.
Graue Energie in Minergie(-P/-A)-ECO
Bereits seit 2011 fordert Minergie(-P/-A)-ECO die Berechnung der Gebäudebilanz für die graue Energie. Für die Bewertung wurden dabei je nach Gebäudetyp zwei Grenzwerte festgesetzt. Der untere, strengere Grenzwert orientiert sich am Zielwert des SIA-Effizienzpfads Energie. Der obere wurde anhand einer Auswertung von gebauten Beispielen berechnet. Der Grenzwert wird projektspezifisch festgelegt.
Grenz- und Zielwerte bei Eco-Standards von Minergie und beim SIA-Effizienzpfad Energie
Graue Energie im Entwurf optimieren
Die Weichen für eine optimierte graue Energie werden bereits in den frühen Phasen (Vorstudie, Vorprojekt) eines Bauvorhabens gestellt. Hier geht es vor allem um folgende Aspekte:
- Die Kompaktheit des Gebäudes (Verhältnis von Hüllfläche zu Energiebezugsfläche)
- Den Umfang von Spezialfundationen, Baugrubensicherungen und Unterterrainbauten
- Die Bauweise (z. B. Massivbau, Leichtbau)
- Die Ausgestaltung des Tragsystems (direkte vertikale Lastableitung, Spannweiten)
- Den Umfang und die Art der Gebäudetechnik
Graue Energie berechnen
Im Vorprojekt: Für eine frühe erste Abschätzung der grauen Energie stellt ecobau für Minergie(-P/-A)-ECO ein einfaches kostenloses Bewertungstool zur Verfügung (Berechnungstool graue Energie Vorprojekt).
Während der Projektierung: Hier können die Bauteile mit dem Bauteilkatalog bezüglich grauer Energie, aber auch via Umweltbelastungspunkte (UBP) oder Treibhausgaspotenzial (GWP) verglichen und optimiert werden.
Im Bauprojekt: Um eine Gebäudebilanz graue Energie für den Minergie(-P/A)-ECO-Nachweis zu berechnen, hat ecobau die folgenden Bewertungstools geprüft und freigegeben:
Diese Tools sind kostenpflichtig. Bei den mit * markierten Tools ist die Berechnung für den Energienachweis nach SIA 380/1 integriert. Dies hat den Vorteil, dass beim Erstellen der Gebäudebilanz graue Energie nur wenig zusätzlicher Aufwand entsteht.
Graue Energie in weiteren Labels und Standards
Die graue Energie ist heute in verschiedenen Standards und Beurteilungssystemen zum nachhaltigen Bauen integriert. Analog zu Minergie(-P/A)-ECO ist sie auch beim Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz SNBS, beim Zertifikat „2000-Watt-Areal“, bei SméO und bei SGNI/DGNBswiss integriert. Die graue Energie ist ebenfalls Teil des SIA-Effizienzpfads Energie (SIA Merkblatt 2040) und ein wichtiges Beurteilungskriterium in den Instrumenten ecoDevis, ecoBKP und bei der Zertifizierung der ecoProdukte.
Weitere Informationen
- Minergie-ECO: Anleitung zur Berechnung der grauen Energie (2021)
- EnergieSchweiz: Faktenblatt zum klimapositiven Bauen
- EnergieSchweiz: Ratgeber Graue Energie von Neubauten
- EnergieSchweiz: Ratgeber Graue Energie von Umbauten
- KBOB-Empfehlung Ökobilanzdaten im Baubereich
- SIA 2032: Graue Energie – Ökobilanzierung für die Erstellung von Gebäuden
- SIA 2040: SIA-Effizienzpfad Energie